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Erfolgreiches Webinar "Ableismus - Was ist das?" für Taubblinde

11.04.2024
Screenshot aus dem Webinar mit Referentin Lela Finkbeiner und Dolmetscherin

Am 10. April 2024 fand ein Webinar zum Thema „Ableismus - was ist das?“ mit über 60 Teilnehmenden statt. Das Webinar wurde im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Deafblind-Impuls" als Kooperation mit dem Projekt "handfest" Peerakademie für Taubblinde der Deutschen Gesellschaft für Taubblindheit durchgeführt. Als Referentin konnten wir Lela Finkbeiner gewinnen, eine behindertenpolitische Aktivistin und Dipl. Sozialpädagogin.

Lela Finkbeiner, selbst taub mit Sehbehinderung, teilte ihr umfangreiches Wissen mit dem Publikum. Sie ist Master-Studentin des Studiengangs „Kritische Diversity und Communities Studies“ sowie Autorin und Kolumnistin diverser Bücher und Publikationen.

Die Online-Teilnehmenden bekamen in dem zweistündigen Vortrag einen kompakten Einblick in das komplexe Thema "Ableismus". Ableismus ist das Fachwort für Ungleichbehandlung und Diskriminierung wegen einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung. Auch taubblinde Menschen können von dieser Diskriminierungsform betroffen sein. 

Lela Finkbeiner ermutigte die Teilnehmer*innen dazu, sich in schriftlicher Form am Webinar zu beteiligen und stellte diverse Fragen. Diese interaktive Herangehensweise ermöglichte es den Teilnehmenden aktiv am Diskurs teilzunehmen und verschiedene Perspektiven zum Thema Diskriminierung zu beleuchten.

Die Referentin machte deutlich, dass alle Menschen im Alltag von ableistischen Denkweisen betroffen sind, unabhängig davon, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Neben dem Begriff Ableismus gibt es noch weitere, spezifische Formen der Diskriminierung.

Mithilfe eines Jenga-Turms illustrierte sie eindrücklich, dass die menschliche Identität aus verschiedenen Teilen besteht, die alle Einfluss darauf haben, wer wir sind. Dabei betonte sie den Begriff Intersektionalität. Als Beispiel nannte sie einen taubblinden Menschen, der aufgrund verschiedener Identitäten wie z.B. Hörbehinderung, Sehbehinderung, Nationalität, Alter, religiöser Zugehörigkeit und Sexualität ein Leben lang unterschiedlich spezifische (Diskriminierungs-) Erfahrungen macht.

Diese Erfahrungen sind integraler Bestandteil der Identität eines Menschen. Wiederholte Diskriminierungs-Erfahrungen und übergriffig wahrgenommene Äußerungen im Alltag werden auch als Mikroaggressionen bezeichnet.

Die Referentin entfernte nach und nach die Bausteine aus dem bunten Jenga-Turm: Je mehr ein Mensch diskriminiert wird, desto wackeliger und instabiler wird er. Die individuellen Reaktionen auf Diskriminierungserfahrungen fallen von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich aus. Wut, Resignation oder Rückzug sind einige der verschiedenen Coping-Strategien, die von Außenstehenden meist nicht verstanden und nachvollzogen werden können, da sie nicht selbst betroffen sind.

Lela Finkbeiner betonte zudem auch: Alle Menschen sind von Ableismus betroffen, wenn bestimmte Werte und Normen, die wir alle internalisiert haben, weitergegeben werden. Auch gehörlose, blinde und taubblinde Menschen können sich anderen gegenüber ableistisch verhalten!

Mit den zwei stereotypischen Puppen "Barbie" und "Ken" verdeutlichte sie, wie Menschen durch Sozialisation im Laufe des Lebens ein bestimmtes Bild von anderen Menschen entwickeln, das von verschiedenen Faktoren und Einflüssen geprägt ist. Bestimmte Körperbilder  und Hautfarben gelten als erstrebenswert, andere wiederum weniger. Dadurch wird Kindern schon früh vermittelt, dass alles, was von dieser Norm abweicht, als „nicht normal“ bewertet wird.

Dazu präsentierte sie aber auch positive Impulse und Entwicklungen für mehr Vielfalt, Toleranz und Sichtbarkeit: Lela zeigte eine aktuelle Barbie-Puppe mit schwarzer Haut, die im Rollstuhl sitzt. Dazu gab es noch jede Menge Empfehlungen zu weiterführende Lektüre. (Bücher-Liste s.u.) Lela stellte auch kurz die Disability-Pride Flagge vor und zeigte deren wiedererkennbares Motiv, ein Regenbogen mit Zick-Zack-Muster.

Im abschließenden Teil ging Lela Finkbeiner noch kurz die unterschiedlichen Modelle von Behinderung ein (medizinisch, sozial, gesellschaftlich-kulturell und menschenrechtlich) und zeigte verschiedene Diskriminierungsebenen auf (interpersonell, strukturell und institutionell).

Während des Webinars kam immer wieder die Frage auf, wie man Ableismus im Einzelnen erkennt und was man dagegen tun kann. Gar nicht so einfach! Empfehlenswert ist es immer, sich den Situationen nicht allein zu stellen sondern sich Unterstützung zu holen oder auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu kontaktieren. Diese prüft dann, ob Diskriminierung vorliegt. Die dazu notwendigen Angaben können auch in DGS (Deutsche Gebärdensprache) übermittelt werden.

Es kam der Wunsch nach einer Fortsetzung und Vertiefung des Themas auf. Auf Nachfrage, ob ein solches Angebot von Interesse sei, gab es eine Vielzahl von positiven Reaktionen im Chat: Dies macht deutlich, dass das Thema Ableismus noch lange nicht abgeschlossen ist. Geplant ist es, zu diesem Thema zeitnah noch einen vertiefenden Workshop anzubieten. 

Liste mit Bücherempfehlungen von Lela Finkbeiner:

  • »Bist du behindert, oder was?«: Kinder inklusiv stärken und ableismussensibel begleiten
  • Angry Cripples - Stimmen behinderter Menschen gegen Ableismus
  • Als Ela das All eroberte, Kinderbuch